50 Jahre IT: Geschwindigkeit ist keine Hexerei
11.02.2011Schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte Hardware keine lange Standzeit. Der Zuse Z22R folgte "bald" die Electrologica X8.
Wobei "bald" relativ ist. In heutiger Zeit veraltet Computerhardware deutlich schneller, als vor 50 Jahren. Immerhin sechs Jahre dauerte es ab 1961, bis man mit der Leistung der Zuse Z22R nicht mehr zufrieden war und sich nach einem neuen System umschaute.
Unglaubliche Dimensionen
Die ELECTROLOGICA X8 sollte es sein, die für neue Geschwindigkeitsrekorde herhalten konnte und mit 2,5 Mio DM siebenmal so teuer war wie die Zuse. So verkündete die Main-Post vom 27.02.1967: "Die Würzburger Anlage ist mit einem sogenannten Kernspeicher mit 32.000 Speicherplätzen und einem Trommelspeicher mit etwa 500.000 Speicherplätzen ausgestattet. Für das Einlesen von Daten über Lochstreifen steht ein schnelles Lochstreifengerät zur Verfügung, das 1.000 Symbole pro Sekunde verarbeitet".
Damals mussten allerdings die Nutzer das Schreiben der Programme und Ablochen der zu verarbeitenden Daten selbst übernehmen. Also doch wieder technische Steinzeit?
Mitnichten. Die Wissenschaftler waren damals auch auf vergleichsweise hohe Rechengeschwindigkeiten angewiesen, welche zunächst nur an ausgewählten Standorten in der Bundesrepublik zur Verfügung standen - zum Beispiel am "Deutschen Rechenzentrum" in Darmstadt. Durch die neue Anlage aber war man in der Lage, auch lokal die meisten notwendigen Berechnungen in akzeptabler Zeit durchzuführen. Dafür lohnte es sich schon mal, die Lochung selbst durchzuführen.
Der Raum sieht schon deutlich professioneller aus, als noch sechs Jahre zuvor - es fehlt der Aschenbecher. Sitzend am Fernschreiber Wolfgang Pavel, Foto: Heer)
Unter dem Motto "Geschwindigkeit ist keine Hexerei" rechnete die Main-Post vor, dass die Multiplikation zweier 12-stelliger Zahlen nur eine achtmillionstel Sekunde dauert. Auch konnte die Anlage parallel drucken, zeichnen oder Lochstreifen stanzen.
Am Stundenplan eines Gymnasiums gescheitert?
Für erheblichen Wirbel sorgten allerdings Zeitungsberichte in den Jahren 1968 und 1969, welche die Leistungsfähigkeit der Anlage in Frage stellten - bei einer vermeintlich trivialen Aufgabe, wie der Erstellung eines Stundenplans für ein Würzburger Gymnasium.
Was war geschehen? Das Röntgen-Gymnasium Würzburg hatte eine Ausarbeitung von Stundenplänen für das neue Schuljahr 68/69 in Auftrag gegeben. Der Auftrag scheiterte allerdings kläglich, sehr zur Freude der Schüler, die bis zur Ausarbeitung eines Notplanes viele Tage nur notdürftigen Unterricht hatten.
Historisch betrachtet war aber (natürlich) nicht die Maschine das Problem, sondern die extremen Rahmenbedingungen des Gymnasiums, die offensichtlich nicht mit allen Parametern in die Programmierung des Stundenplans Einzug gefunden haben.
Der Diplom-Mathematiker Bernd Knauer rettete die Ehre der X8 und der Universität, in dem er ein Jahr später bewies, dass die Generierung eines Stundenplans tatsächlich funktionieren kann - wenn man alle Randbedingungen berücksichtigt. Für das Wirsberg-Gymnasium erfasste er ein Jahr später alle Parameter wie
- Zeitwünsche
- gekoppelter Unterricht
- Raumverteilung
- Notwendikeit von Freistunden am Ende des Unterrichts
- Kernfächer in der ersten Unterrichtsstunde
- Möglichst gleichmäßige Verteilung über die Woche
- Kein Fach zweimal in der 6. Stunde
- Viele "Sollte"-Bedingungen
Und siehe da: es funktonierte! Nach gerade 50 Minuten Rechenleistung waren die Stundenpläne für 24 Klassen mit rund 650 Schülern erstellt. Die Presse war begeistert und rehabilitierte Computer und Programmierer.
Die Electrologica war allerdings durch die Studenplanerstellung nach einhelliger Meinung bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfähigkeit belastet. "Die Universität sollte sich rechtzeitig nach einer neuen, größeren Maschine umsehen"!
Erst 1974 wurde der Appell erhört und es erschien der Nachfolger der X8, eine TR440 auf der Bildfläche.