50 Jahre IT: Mit der Zuse fing alles an
12.01.2011Die erste Rechenanlage der Universität Würzburg ging vor 50 Jahren in Betrieb.
Die unterfränkischen Tageszeitungen zeigten sich schwer beeindruckt. Am 16.03.1961 schrieb die Main-Post u.a.:
„... Die Maschine ist in der Lage, 17 Additionen oder Subtraktionen, 25 Multiplikationen, 13 Divisionen oder sieben Wurzelberechnungen pro Sekunde auszuführen.“
Ein Teufelswerk
Als Spielzeug für erwachsene Männer, gar als „Teufelswerk“ wurde sie bezeichnet – die erste an der Universität eingesetzte Rechenanlage von Konrad Zuse. In fünf Jahren zwischen 1957 und 1962 lieferte die Zuse KG über 50 Maschinen dieses Typs aus. Das Modell der Würzburger Universität erhielt die laufende Nummer 45 und wurde am 15.März 1961 in Betrieb genommen.
Die erst zweite Anlage in Würzburg (nach der Landesversicherungsanstalt Unterfranken) war ein besonderer Anlass, zu dem neben Zuse auch der damalige Oberbürgermeister Dr. Zimmerer persönlich erschienen war.
Ganz hinten die Stromversorgung, dann folgen Magnettrommelspeicher, Leitwerk und ganz links der Kernspeicher.
Man beachte den Aschenbecher auf dem Tisch, offensichtlich war der Betrieb nervenaufreibend. (Foto: W. Pavel)
Was sich im März 1961 in den Kellerräumen am Röntgenring 8 abgespielt haben muss, kann zumindest geräuschtechnisch nachvollzogen werden. So haben die Kollegen der FH Karlsruhe beim einzigen noch funktionierenden Modell der Anlage demonstriert, welcher Lärm durch das Hoch- und Runterfahren der Anlage, vermutlich u.a. vom Magnettrommelspeicher verursacht, entstanden ist. Die Soundfiles dazu sind hier abrufbar.
Magnettrommelspeicher der Zuse Z22R mit 6.000 Umdrehungen/Minute (Foto: W. Pavel)
Auch sonst waren die technischen Daten des „Monstrums“ beeindruckend. Für die Kühlung der Anlage mit ca. 400 Röhren und 2500 Dioden wurde eine eigens montierte Wasserleitung benötigt. Vor dem Einschalten der Maschine war zunächst also daran zu denken, den Wasserhahn zu öffnen.
Aus anderem Blickwinkel: Wolfgang Pavel sitzt am Bedienpult, hinten der Fernschreiber (Foto: W. Pavel)
Eine beachtliche Rechenleistung
Die mittlere Rechengeschwindigkeit betrug dabei etwa 20 Fließkomma-Operationen in der Sekunde, also 20 FLOPS. Ein Vergleich mit heutigen Anlagen ist nicht gerecht, dennoch sei auf den aktuellen Stand verwiesen: Auf Platz eins der TOP500-Liste steht derzeit (November 2010) der Tianhe-1A aus China. Er erreicht mit 14.336 Mehrkern-Serverprozessoren von Intel und 7.168 Nvidia Tesla GPUs (gewertet als 186.368 Kerne) eine Maximalleistung von 2566 TeraFLOPS. (Quelle: Wikipedia)
Vor 50 Jahren war auch noch viel Handarbeit angesagt. Immer wieder mussten defekte Röhren getauscht oder die Köpfe des Trommelspeichers neu justiert werden. Ein 24-Stunden-Betrieb wie heutzutage war nicht denkbar. Da jeweils immer nur ein einziges Programm in der Maschine rechnen konnte, mussten sich die rasch zahlreicher werdenden Nutzer absprechen und häufig auch Reservierungen tätigen.
Dienstleistung für alle
Laut den Vorgaben der deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) sollte die Anlage explizit allen Bereichen der Universität offenstehen. Und so verzeichnet z.B. der Jahresbericht 1963 auch Vertreter aus der Chemie, Mineralogie, Astronomie und Psychologie sowie das Max-Planck-Institut für Silikatforschung (das heutige Fraunhofer-Institut) und das Balthasar-Neumann-Polytechnikum (Vorläufer der heutigen FH) als Nutzer der Zuse Z22R.
Über viele Jahre hinweg wurde die Anlage genutzt, immer auch wieder mit beachtlichem Presseecho. So war ein „Elektronengehirn“ (Mainpost vom 16.03.1961) in Mainfranken noch längst nicht selbstverständlich. Die Würzburger Hochschule war schließlich die erste von damals drei bayerischen Universitäten, die mit einer derartigen Maschine ausgestattet wurde. Auch der damalige Rektor Prof. Dr. Knetsch gab in seiner Rede zu, dass er „Elektronenrechenmaschinen“ bisher mehr als Spielzeug für große Männer gesehen hatte. „An dieser Maschine stelle sich die Grenze heraus, an der der Mensch ohne solche Apparaturen nicht mehr auskommen könne“.
Prof. Dr. Knetsch bewies mit dieser Aussage erstaunlichen Weitblick, haben sich die unzähligen Nachfolger dieser ersten Computermodelle mittlerweile in allen Bereichen des Lebens nachhaltig verankert.
Die Würzburger Zuse Z22R mit der Seriennummer 45 wurde übrigens im Januar 1974 nach einer Rekordzeit von knapp 13 Jahren Betriebszeit stillgelegt und kann heute noch im Deutschen Museum in München bewundert werden.
100. Geburtstag des Erfinders
Konrad Zuse, der im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, meinte zur Motivation zum Bau seiner Rechenanlagen immer: „Ich bin zu faul zum Rechnen“. Die immer wieder gleichen Rechenabläufe mussten doch lediglich als Rezepte einer Maschine übergeben werden, die diese stupiden Abläufe für den Menschen übernimmt. Schon war die Idee zum ersten Computer der Welt geboren.
Doch dauerte es viele Jahre, bis aus der ersten Z1 im Jahre 1936 in einer Berliner Wohnung der Aufbau einer Firma möglich wurde – mit der Z4 und deren Verkauf an die ETH Zürich im Jahre 1949.
Die Bestandteile der Rechenanlage: Grün: Steuer-, Befehls- oder Leitwerk, gelb: Rechenwerk, blau: Speicher, rosa: Ein- und Ausgabe (Blockbild von W. Pavel)
Die Z22R lebt - zumindest als Simulation
Wer sich auf eine virtuelle Reise durch die Z22R begeben möchte, kann dies auf den Webseiten von Wolfgang Pavel tun. Rechtzeitig zum 50-jährigen Jubiläum hat der langjährige Mitarbeiter der Universität Würzburg eine Simulation der Anlage zur Verfügung gestellt, um an die Pionierzeiten der Computerentwicklung zu erinnern.